Entschuldigt bitte mein Schweigen
Die Fremde glänzt noch immer mit Vermutungen
Auf ihrer Reise in die nächste Priorität
Licht an!
Ein Trauma soll enden
Die Leute sind durch damit, ich auch
Mund auf, Mund zu Continue reading
Der Plan
Wieder ein Fundstück, diesmal ohne Datum. Eine Geschichte für die Zeit zwischen den Jahren.
Die Garagen mit ihren rostrot, graublau und blassgrün gestrichenen Toren stehen eine neben der anderen, entlang der Bahngleise, am Stadtrand von Schönfeld. Es ist Winter. Über allen Farben liegt ein Schleier aus schmutzigem Pulverschnee. Wie mit Ruß versetzter Zuckerguss klebt er auf den Dächern und Gauben der tristen Wohnblöcke und Funzeln werfen mattgelbes Licht auf die Schwellen der schmalen Eingänge. In den Wohnungen schnüren Menschen würfelförmige Pakete. 30 cm Durchmesser dürfen sie haben und circa 15 kg schwer sein. Höchstens. Das sind die Bestimmungen, und die sind bindend. Continue reading
Ich schließe die Augen
In der aktuellen Ausgabe der Fabrikzeitung zu Ehren von Diane di Prima, eine der geschätztesten Dichterinnen der Beat Generation, ist mein Gedicht „Am Ende Glücklich“ erschienen. „Ich schließe die Augen“ hatte ich ebenfalls eingereicht. Sie gehören zusammen:
Revolutionen, die ich gesehen habe
Eine
Verpasst? –
Vielleicht meine
Losgetreten, eine kleine Continue reading
Kreuzfahrt mit Vilém Flusser (Kommunikologie)
Kreuzbrave Notizen
Die zu Kreuze kriechen
So war das kreuztraurig anno dazumal
Kreuzkranz für die Liebe
Kreuztanz wegen Wahn
Der K-Weg
Im K-Gang
Zum Kreuzverhör Continue reading
Maske. Welche Maske?
Komme nach Hause und beginne rückwärts darüber zu schreiben, wie ich einst nach Hause kam und in den Himmel blickte. Der Mond war hell und viele Sterne waren zu sehen. Die Baumkronen bewegten sich nicht, da kein Wind ging. Wie feucht es war, davon schrieb ich nicht. So gar nicht kalt für einen Januar. Und dennoch zogen keine Nebelschwaden um die Wipfel oder über Wege, Gatter, Zäune, den Winterweizenpflänzchen, die da standen auf dem Feld, in Reih und Glied. Dazwischen Rehe. Continue reading
Flashback: Vier Texte für das Feature über Jane Bowles „Ich war fischen“ (2005)
Noch ein Text aus der Reihe „Meine Lieder sind klüger als ich“
1.
Ich war fischen!
Glauben Sie bitte nicht, dass mir das Spaß macht. Ich habe es aufgegeben Erlösung von der Welt in den leuchtenden Bildern polnischer Weizenfelder zu suchen, in dem satten Flattern aufstiebender Moorkraniche zu hören, oder im harzigen Duft frisch gespalteten Holzes zu schmecken. Aber ich klammere mich an diese Vorstellungen wie eine Ertrinkende, weil ich mich danach sehne wenigstens einmal dieselbe Sprache zu sprechen wie meine Mitreisenden. In unseren Körpern und in unserem Geist sind wir ständig vom einem zum anderen Umsteigebahnhof unterwegs. Ein Nomade lebt nach strengeren Regeln als jeder Stubenhocker, und er wird auch nicht steif und feist dabei. Es hat 40 Jahre gedauert bis ich begriffen habe, dass das einzige Dach über meinem Kopf mein Körper ist. Ich war unversehrt, und mir war alles egal. Aber jetzt sind die Schatten die ich werfe meine Schindeln, und die Fäden die ich ziehe meine Wurzeln. Ich darf die Spuren die ich hinterlasse nicht verwischen, wenn mir daran gelegen ist, wieder aufzubrechen. Freiheit ist eben nicht gekappte Bande, geschütteltes Brot. Freiheit ist, zu fühlen wo man herkommt, zu jeder Zeit, und zu wissen wohin man gehen will, wenn es soweit ist. Wohin man kommt, ist eine andere Geschichte. Es ist die Geschichte. Es ist die Reise. Continue reading
Freundliche Empfehlung: Gedichte können Leben retten
Und die Liebe zu sich selbst. Mich hat schon der erste Gedichtzyklus von Claire Plassard und Florian Vetsch begeistert. Mit dem zweiten Band „Ein dünner Faden hält alles zusammen“ haben sie mich aufgewirbelt, hochgehoben und auf eine neue und vielversprechende Umlaufbahn katapultiert. Dort hält mich dieser dünne Faden zusammen – Schreiben kann Leben retten. Jeden Tag mindestens einen Satz von Belang zu verfassen, ist schon viel. Continue reading
Caldeira – mein Mund
#andwhataboutthelyrics Folge 14
Diesen Text habe ich für einen Song von FM Einheit geschrieben. Es ging ganz schnell in der konzentrierten Arbeitsathmosphäre seines Hauses in Bayern. FM kocht jeden Tag ausgeklügelte köstliche Gerichte und seine Frau, die Kostüm- und Bühnenbildnerin Stephanie Geiger, richtet die Speisen an wie kleine Gemälde. Caldeira, das ist Portugiesisch für Kessel. Der eines Vulkans, aber auch der, in dem gekocht wird. Über offenem Feuer. Ich habe nicht nur die Geräusche, Gegenstände und Töne des Hauses in den Text einfließen lassen, die sowieso zu hören und zu sehen waren, sondern auch andere, die davor da waren und welche, die noch kommen.
Caldeira – mein Mund
Wenn ich ein Mädchen bin
Das Kleider trägt
Trage ich nur welche aus japanischem Papier
Ich bewege mich darin wie ein Insekt
In einer Kammer aus Luft
Einer Schatulle aus Klang
Im Licht und Schatten der Jahreszeiten
Bei Ebbe und Flut
Und meine Worte sind Wasserringe
In allen Farben des Wassers Continue reading
Das Zimmer im Zwielicht der gelben Laterne und unter dem Pflaster die Adern der Stadt
#andwhataboutthelyrics Folge 13
Mein Vater konnte im Gespräch prima abschalten. Es gab zum Beispiel eine kurze Liste mit Fragen zu meinem Berufsleben, die meistens beim Essen abgehakt wurden. Er stellte die erste Frage, kurz bevor er sich einen Bissen in den Mund schob, und während ich sprach und er kaute, rieb er sich die Hände und schaute mit leicht verschwommenen Blick umher. Wenn vor dem nächsten Bissen keine neue Frage kam, redete ich weiter. Continue reading
Ein Bild von mir das älter ist als ich
#andwhataboutthelyrics Folge 12
Ein Bild von mir das älter ist als ich – Tiefenschärfe (für Vivian Maier)
Ich weiß nicht, wann das los ging mit den Selfies. Meines Wissens war Vivian Maier die Erfinderin des Genres. Ich habe 1988 die ersten Fotos mit Selbstauslöser von mir gemacht. Ich bin irgendwo in den österreichischen Bergen auf Diät. Sitze in einem ausgetrockneten Flussbett auf Geröll, werfe einen Stein. Es sieht dynamisch aus, bleibt aber trotz der großen Brennweite ohne Bedeutung. Auf einem anderen Bild kauere ich im Dämmerlicht einer Dachkammer auf dem Rand einer Matratze. Continue reading