Als ich im Herbst 2018 endlich beschlossen hatte, in 2019 eine Pause einzulegen, meldete sich mein Kollege Reinhardt Repke vom Club der Toten Dichter und hinderte mich daran. Zum zweiten Mal. Ihr kennt die Geschichte. Und so war 2019 ein Jahr mit unerwartet vielen Solo-Auftritten, den unvergesslichen Duo-Abenden mit Christoph Bernewitz in der Bar Jeder Vernunft, dem einzigen KF + Band-Auftritt beim SFEN-Festival in Potsdam und insgesamt 40 Konzerten mit dem Club der Toten Dichter und “Theodor Fontane neu vertont”.
In 2020 sollte mich aber nichts davon abhalten, diese lange vor mir her geschobene Pause endlich zu machen. Ich wollte so viel Zeit wie möglich mit meiner Mutter verbringen, die schwer an ALS erkrankt war.
Sie war auch im hohen Alter sehr agil, geistig, wie körperlich, und wenn ich mich richtig erinnere, zeigten sich bei ihr erst mit 81 oder 82 Symptome dieser perfiden Krankheit. Der Covid-Lockdown im März 2020 beendete mein Pendeln zwischen Portugal und Deutschland und sorgte gewissermaßen auch für Ruhe in den letzten Wochen im Leben meiner Mutter. Ein Umzug in ein Hospiz stand außer Frage. Sie starb zuhause in der Nacht zum 05. Juni 2020 im Alter von 85 Jahren.
Der Tod der eigenen Eltern ist ein tiefer Einschnitt im Leben vieler Menschen. “Franck” ist der Mädchenname meiner Mutter, den sie nach der Scheidung von meinem Vater wieder annahm. Ich haben ihren Nachnamen für mich als Künstlernamen gewählt, als die Aufnahmen zum ersten Rainbirds-Album Mitte 1987 in die Mix-Phase gingen und wir uns überlegten, was denn alles auf dem Cover stehen soll. Es war nicht die erste Veröffentlichung, an der ich mitgewirkt hatte, aber es war das erste Album mit meinen eigenen Songs und Texten. Ihren Nachnamen dafür als Pseudonym anzunehmen, war gewissermaßen eine Widmung. Mein Vater trug es mit Fassung und Großmut.
Auch wenn sich mir meine innere Erschöpfung schon viel früher gezeigt hat, als die Krankheitsymptome bei meiner Mutter, habe ich erst mit ihrem Dahinschwinden den Gedanken zugelassen, dass eine Pause für mich dringend notwenig ist und nicht zwangsläufig das Ende meines bisherigen Lebensweges sein muss. Aber es schadet nicht, besonders in dieser pandemischen Zeit, sich mit der Möglichkeit anzufreunden, dass es auch ein Leben hinter, neben oder vor der Bühne gibt. Augenblicklich drängt es mich nicht auf die Bühne, aber mein Interesse an starken Persönlichkeiten, die bei guter Musik und gut geschnittenen Texten, Leidenschaft und Coolness zusammenbringen, ist ungebrochen.
Es ist ja keine neue Erkenntnis, dass Töchter und Söhne oft die nicht gelebten Lebensentwürfe ihrer Eltern realisieren. Das trifft bei mir bezogen auf meine Mutter durchaus zu. Ihre Begeisterung für meine Fähigkeit singend viel mehr zu sagen, als in den Texten steht, oder Dinge singend auszudrücken, für die ich, zumindest damals, noch keine Worte hatte, hat mich auf die Umlaufbahn katapultiert, in der ich seit meinem 11. / 12. Lebensjahr mal schneller, mal langsamer kreise. Immer wieder gab es Zeiten, in denen ich ins Trudeln geraten bin, weil ich länger keinen Song und keinen Text geschrieben hatte und mich auch das Zurückgreifen auf’s alte Repertoire nicht kickte. Immer wieder habe ich neue Ansätze gefunden, neue Techniken (oder vielmehr Tricks) angewandt, mit denen ich mich aus der jeweiligen Stagnation herausarbeiten konnten. Nicht selten zu meiner eigenen Überraschung. Die gesprochenen Popsongs sind so entstanden und die Hörspiele. Und vielleicht entsteht aus meinen Textcollagen auch etwas Neues gesungenes oder gesprochenes. Es ist nicht unmöglich.
Aus der Collagenserie, die im April 2020 mit dem portugiesischen Text “Das Leben in der Schwebe” begann, ist nun eine in der Fabrikzeitung Nr. 364 erschienen, die sich dem Dichter Hadayatullah Hübsch widmet. Es ist die bisher einzige Collage zu der ein Thema vorgegeben war. Alle anderen entstehen, weil es die zuvor ausgeschnittenen Schlagzeilen hergeben. Die Schlagzeilen stammen aus unterschiedlichen Blättern, meistens aber aus der Süddeutschen Zeitung. Jeweils aus einer Ausgabe. Am 15.12.2020 ist die Collage entstanden, mit der ich mir und Euch so eine Art #whataboutthelyrics geschaffen habe, ein “Wieso klebt sie denn, wenn sie doch singen kann (sic)”. Hier ist sie, inklusive Flüchtigkeitsfehler des SZ-Lektorats, denn da ist kein Schnitt: